Die dreiste Glosse< Zurück 22.07.2011

Harry Potter 7.2: Harry Potter ist tot, lang lebe Neville Longbottom!

Von Max Werschitz

Time to say goodbye – nach 7 Büchern, 8 Filmen und insgesamt 14 Jahren verabschiedet sich der berühmteste Popkulturzauberer aller Zeiten erst mal von der medialen Bildfläche. Und lässt dabei nicht nur ein weltweites Millionenpublikum, sondern vor allem seinen Kompagnon Neville Longbottom hinter sich, und für mich eine wichtige Frage offen: was, ja was wenn das Ende ganz anders ausgesehen hätte?

Die Handlung sei hier nur kurz angerissen: Harry, Hermione und Ron sind nach dem einsamen Herumgurken in der englischen Pampa zwar wieder sicher zurück in den Armen des Order of the Phoenix (bzw dessen Überresten), haben jedoch noch einiges vor sich: während Voldemort immer mehr Gefolgsleute und Macht um sich schart gilt es die letzten drei Horkruxe zu finden und zu zerstören – denn erst wenn diese letzten Teile seiner abgespalteten Seele beseitigt sind kann der nasenlose Lord wirklich nachhaltig getötet werden. Nach einem Ausflug in die Bank von Gringotts samt Ritt auf einem überstundengepeinigtem Drachen geht es für den finalen Showdown schließlich ab ins altbewährte Hogwarts.

Deathly Hallows Part 2 ist für David Yates bereits das vierte Mal dass er im Potterversum das Regiekommando innehatte, und entsprechend routiniert handelt er – unterstützt von der ausgezeichneten (Dreh)buchadaption des siebenfachen Potter-Filmveterans Steve Kloves – das letzte Kapitel der Saga ab. Trotz der vielen visuell bombastischen Actionszenen lässt er dem Pubilkum, der Geschichte und vor allem den Charakteren genügend Raum; rasante Kampfsequenzen und Kamerafahrten wechseln sich mit schon fast altmodisch ruhig anmutenden Dialogszenen ab. Eine Achterbahnfahrt mit Atempausen; Zeit genug um sich wieder einmal bewusst zu werden dass J. K. Rowlings magische Filmwelt neben den drei soliden Ex-Kinderstars Daniel Radcliffe, Emma Watson und Rupert Grint von einigen der ganz großen britischen SchauspielerInnen bevölkert wird. Allen voran Ralph Fiennes, der mit seiner Interpretation von Lord Voldemort nahe an die Bösartigkeit des ebenfalls von ihm gespielten Amon Göth in Schindlers Liste herankommt (und man kann getrost sagen: beide Charaktere sind handfeste Nazis).

Auch Alan Rickman alias Snape bekommt endlich mehr Bedeutung, in einer Reihe von herzzerreissenden Rückblickszenen die dem Romantiker in mir beinahe eine Träne abgerungen hätten. Als ich vor knapp 4 Jahren zum ersten Mal das Buch las kam diese Enthüllung von Snapes wahren Beweggründen und Taten als eine gewaltige Überraschung, und auch wenn sie nicht mit Pathos und Kitsch geizte, ich fand sie großartig.

Doch zwei Dinge fand ich noch großartiger.

Das Problem mit Prophezeiungen

Lang lebe Neville Longbottom!Erstens: Die Geschichte von Harry Potter ist die Geschichte einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Dies wurde in Teil 5 offenbart und ist für mich der Kern von und das unterschätzte Juwel in Rowlings Epos: Harry wird nur zum "Auserwählten" weil Voldemort versucht hatte ihn als Baby zu töten – basierend auf einer etwas nebulösen Weissagung die ebenso auf Neville, den Sohn der Auroren Frank und Alice Longbottom, hätte zutreffen können (welch köstliche Ironie).

Zweitens: jene "uralte Magie", das Opfer von Harrys Mutter das ihm das Leben rettete und Voldemort erst mal in die Versenkung zurückschickte, ist eigentlich ein tragischer Fluch. Denn wie wir schließlich erfahren hatte der dunkle Lord beim Angriff auf Baby Potter ihn ohne sein Wissen zu einem weiteren, achten Horkrux gemacht. Und wie wir zwei Filme und 276 Minuten lang vorexerziert bekamen gibt es nur eine Methode die Seelenfetzen und somit Voldemorts Unsterblichkeit zu eliminieren: man muss die sie beherbergenden Horkruxe, ob Objekt (Amulett, Becher, etc) oder Lebewesen (die Schlange Nagini) zerstören bzw töten.

Doch was macht Rowling?

Sie lässt ihn überleben. Der Ausgang der maßgeblichen Konfrontationen (von Buch 4 bis Buch 7) zwischen Potter und Voldemort, die der schlangenhafte Finsterling allesamt hätte gewinnen müssen, wird durch ein immer komplexer werdendes Schichtwerk von Erklärungen gerechtfertigt: Harry ist von der Liebe seiner Mutter beschützt (OK), Harrys Zauberstab ist der Zwilling von Voldemorts (naja, ist halt Pech), Voldemort hat den Elderstab aber dieser gehorcht eigentlich Harry (hm, schön langsam tut er mir leid), und schließlich: Voldemort KANN Harry gar nicht töten, weil er bei seiner Wiederauferstehung dessen Blut verwendet hatte und dadurch eine WEITERE Verbindung hergestellt hatte (jetzt reicht's aber).

So. Und jetzt sage ich euch wie Harry Potter hätte enden sollen: die Tatsache dass Harry der achte Horkrux von Voldemort ist hätte als allerletzte, bittersüß tragische Handlungswendung erst unmittelbar vor dem Duell offenbart werden sollen. Dann hätte Voldemort Harry getötet, ironischerweise dadurch seine eigene Unsterblichkeit aufgehoben, und Neville Longbottom ihm als wahrer Held schließlich den Kopf abgesäbelt. Aus Schluß Mahlzeit. Ganz großes Kino.

Trailer

Auf einen Blick

  • Jahr: 2011
  • Länge: 130 min
  • Regie: David Yates
  • Drehbuch: Steve Kloves
  • Darsteller: Daniel Radfcliffe, Emma Watson, Rupert Grint, Ralph Fiennes, Alan Rickman
  • Webseite

Fazit

Meine Wertung:

 

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