Die dreiste Glosse (mit Film)< Zurück 09.11.2010

The End of Liberty

Von Nick Gruber

Seit dem Erdrutschsieg der Republikaner bei den letzten Kongresswahlen ist diese neue "Tea-Party" Bewegung in aller Munde. Wer sind die eigentlich? Altkonservative, Neoliberale, Erzprotestanten, Datenschützer? Am Besten, man schaut sich das alles selbst an. Eine Low-Budget Doku zum Thema gibt es hier in kompletter Länge.

Die Tea-Party ist gefeiert, "Hope" wurde zu "Nope". Und, Change sei Dank, seit zwei Jahren gibt es eine neue, rechte Bürgerbewegung in den Vereinigten Staaten die bereits heuer wahlentscheidend eingreifen konnte. Weswegen dieses Vorhaben gleich so reibungslos aufging, kann keiner recht verstehen. An der Oberfläche ganz ähnlich dem Rechtsruck in Europa, marschieren bodenständige Amerikaner gegen ihre Regierung. Gegen Steuern, Überwachung, Beschneidung der Bürgerreche, gegen Obamas Gesundsheitsreform, gegen Solidarität generell und überhaupt gegen jeden der einem dreinreden möchte. Vom durchschnittlichen europäische Öko werden solch fehlgeleitete Egomanen natürlich entsprechend belächelt. Ein Vorurteil?  Absolut, wenn es nach den jungen Dokumentarfilmern der "National Inflation Association" geht. Die Jungs sind "Aktivisten" und liefern bereits ihre dritte Doku - gratis für alle. Wer seine Meinung am liebsten selbst bildet, ist hier also genau richtig.

Raus aus der Regierung mit der Regierung

Wenn der Stress im Leben zunimmt, dann will man am Liebsten in Ruhe gelassen werden. Das gilt offenbar für alle Teaparty Republikaner generell. Und genau diesen Nerv versucht auch End of Liberty zu treffen - und die Stories lassen einen den Unmut dieser Freiheitsfanaten vielleicht etwas besser verstehen.

Der durchschnittliche Amerikaner, laut Film, steht vor einem Nervenzusammenbruch - macht aber nichts, weil die Regierung ja für einen denken und lenken tut. Erstes Beispiel: Eine 6jährige ist aus einem abstrusen Grund auf der 1mio Einträge umfassenden "Terror-Watchlist" gelandet. Resultat: Die Kleine wurde am Flughafen sorgfältig auf Waffen und Sprengsätze abgegriffen, während ihre Mutter vergeblich versuchte, sie zu beruhigen. Aber weinen, raunzen und fremdeln gibts keines, wenn die nationale Sicherheit am Spiel steht.

Ortswechsel. Der Farmer Vernon Herschberger stellt Bio-Lebensmittel her - vor allem kuhfrische, nicht pasteurisierte Milch. Aber 'sicher nicht', wenn es nach der FDA geht (und es geht nach der FDA - dort wird entschieden, was gekauft werden darf). Diese Milch ist illegal - und deshalb wurde die Farm von den Behörden gleich mal sicherheitshalber komplett auf den Kopf gestellt, mit Markierungspickerln versehen, und der Tank an dem die Nachbarn ihre Milch selbst beziehen, wurde mit einem Färbemittel unschädlich gemacht. Alles sachgemäß.

Eugene, Oregon: Ben Bond hat aus purer Nächstenliebe Münzen in Parkautomaten von zu lange parkenden Autos gesteckt. Auch dazu gabs ein "Njet" seitens der Stadt. Solch aultruistische Anwandlungen sind klar budgetschädlich - Bond wurde in Handschellen abgeführt. Ein anderer Kerl aus Indiana hat seinen Rasen höher als 25cm wachsen lassen und sich damit einen Besuch vom lokalen SWAT Team eingebracht. Sehr löblich. Das ist professionelle Ortsbilderhaltung. Außerdem brauchen Einsatzkräfte Training (zumals das besonders in hohem Gras besonders effektvoll wirkt - aber dem rechten Flügel fehlt da offensichtlich der Humor). Aaron Zeff, ein Kleinunternehmer, zeigt im Film die persönlich von Steuerfahndern übergebene Mahnung - 4 Cents. Nachdem der Betrag aber zwei Jahre lang offen blieb, wurden daraus über 200$. Die Spesen liegen also im Wesen und Microfinance soll offenbar nicht nur auf Benetton Plakaten funktionieren. New York machts vor: Aktion scharf gegen Sitzgurt-Sünder. Laut geheimer Tonbandaufnahme gibt es für die Beamten sogar ein Plansoll (5 Handyfahrer und 5 Sitzgurtsünder pro Woche).

Und was haben alle diese Geschichten gemeinsam? Laut den Filmemachern von der "National Inflation Association" ist es das Geld, das den einzelnen Levels der Legislative fehlt. Die Schulden sind zu hoch. Auf föderaler Ebene kann Geld gedruckt werden, den Bundesstaaten selbst bleibt aber nichts übrig, als Steuern zu erhöhen und mit den Schikanen weiterzumachen - d.h. solange der Break-Even zwischen Aufwand für Überwachungsorgane und Einkünfte durch Strafmandate erreicht wird...

Welchen Rückschluss soll man nun laut Tea Party daraus ziehen? Zurück zur Verfassung. Die ehrlichen konservativen Werte der Altvorderen sollen wieder Einzug halten. Doch Vorsicht! Diese guten alten Werte sind nicht zu verwechseln mit den ranzigen 'neo'konservativen alten Werten eines George W. Bush. Zusammengefasst: Eine Rosskur für die Regierung. Niedrigere Steuern für Alle, ermöglicht durch komplette Abschaffung aller unbezahlbaren Sozialprogramme (sind eh unfair). Und im selben Atemzug wird den bösen privaten Monopolisten und Multinationalen schlagartig der Einfluss auf die Regierung entzogen und damit der Subventions-hahn abgedreht. Tolles Programm... da geben wir doch alle gleich ne Teaparty, oder?

Nützliche Idioten

Einstein hat mal gesagt, ein Konservativer träume von einer Vergangenheit die es nie gegeben hätte. Stimmt nur noch bedingt. Die heutigen Träume: Im Januar 2010 hat der US Supreme Court offiziell die Geldschleusen für Wahlkampfspenden geöffnet. 4 Mrd. $ haben die Kampagnen zu dieser Kongresswahl ingesamt gekostet. Der höchste Wert aller Zeiten in dieser Gewichtsklasse. Im Rennen um den Mr. Spendabel haben die Republikaner mit ihren Tea-Party Kandidaten die Demokraten im Verhältnis 7:1 ausgestochen. Den großherzigen Business-Mäzen sei dank. Aber wer zahlt, schafft an - willkommen im Zeitalter der legalen Korruption.

Deshalb sollte man sich als heimischer Freibürger und Teaparty Sympathisant mal fragen, warum sich die eigenen Forderungen anscheinend grandios mit jenen der Börsenmelker und Industriemagnaten decken. Aber welcher Chef hat sich noch nicht über einen Haufen nützlicher Idioten gefreut, vor allem wenn sie kaum was kosten.

Trailer

Auf einen Blick

  • Jahr: 2010
  • Länge: 75 min
  • Regie: National Inflation Association
  • Webseite

Fazit

Meine Wertung:

 

Der dreiste kleine Kinomo

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