Review< Zurück 06.03.2013

Argo: Die doppelte amerikanische Mogelpackung

Von Max Werschitz

Ich weiß, ich bin ein bisserl spät dran, aber endlich habe ich es geschafft ihn mir anzusehen – den diesjährigen Gewinner des Oscars für Besten Film. Nicht zu verwechseln mit "den besten Film des Jahres".

Ein Prost auf Uncle Sam.

Dass er diesen und noch viele weitere Preise gewonnen hat war eigentlich keine Überraschung, denn das Material ist fast schon, entschuldigt bitte den Ausdruck, eine staatlich genormte Wixvorlage für Academy und Konsorten: Argo beginnt mit "Based on a true story" und die Amerikaner sind die Helden. Mehr brauchst du nicht. Und da tun mir die Macher von Lincoln und Zero Dark Thirty fast ein bisserl leid – schlechtes Timing. OK, nur Steven Spielberg, weil Kathryn Bigelow durfte ja schon 2009 in der selben Kategorie den goldenen Glatzkopf abräumen.

Wie dem auch sei. Meine Erwartungen waren jedenfalls gering, und somit war ich auch nicht enttäuscht – auf der rein filmischen Ebene ist tatsächlich kaum etwas gegen Argo zu sagen. Ben Afflecks Arbeit, der nach jeder Menge schlechten Filmen (und entsprechenden Goldene Himbeere-Nominierungen) als Schauspieler seit 2007 wesentlich erfolgreicher als Regisseur unterwegs ist, ist solide. An der Seite von immer wieder gern gesehenen Gesichtern (u.a. John Goodman, Alan Arkin und Bryan Cranston) entführt er uns mit ruhiger Hand und authentischem Produktionsdesign in die Nachwehen der Islamischen Revolution im Iran. 1979 wurde die amerikanische Botschaft von aufgebrachten Studenten und Geistlichen gestürmt und über 50 Amerikaner als Geiseln genommen. 6 konnten jedoch entkommen, und fanden (u.a.) Unterschlupf im Haus des kanadischen Botschafters. Um sie unbehelligt von der Revolutionsgarde aus dem Land schaffen zu können startet der CIA unter der Führung von Agent Tony Mendez (Affleck) schließlich eine ungewöhnliche Rettungsoperation: die DiplomatInnen sollen sich als (kanadische) Filmteam eines Science Fiction-Streifens ausgeben – eben Argo. Ganz nach dem Motto "das klingt so verrückt, das könnte sogar klappen" wird also die Tarnung aufgebaut: ein tatsächlich existierendes Drehbuch wird gekauft, eine Produktionsfirma erfunden und das entsprechende Büro eingerichtet, Anzeigen geschaltet, und sogar eine Pressekonferenz samt der vermeintlichen HauptdarstellerInnen abgehalten. Zu guter Letzt geht es ans Eingemachte: Mendez fliegt selbst in den Iran um die schon an Lagerkoller leidende Gruppe in seinen Plan einzuweihen und zum Flughafen zu eskortieren.

Und dann geht der Nervenkitzel natürlich erst so richtig los. Oder er sollte dies zumindest tun – wenn man sich darauf einlässt. Denn Argo kämpft mit einem Problem das viele "true story"-Werke haben: das Publikum weiß natürlich schon wie die Geschichte ausgeht, und das Gefühl der Spannung ist somit eigentlich höchst irrational, beziehungsweise rein auf der dramaturgischen Ebene erzeugt. Und hier liegt auch mein einziger filmimmanenter Kritikpunkt an Argo: zumindest für mich hat es nicht funktioniert. Im Hinterkopf hatte ich ständig das Wissen "Sie schaffen's", und das machte die schon in sich etwas verzweifelt wirkenden Versuche des Filmfinales aus jeder Minute und jeder Konfrontation einen Nägelbeisser zu machen etwas lächerlich. Spätestens wenn ganz am Ende die Revolutionsgarde mit Jeep und Blaulicht das Flugzeug auf der Startbahn verfolgt fühlt man sich ungewollt amüsiert in eine A-Team- oder MacGuyver-Episode versetzt.

Oh Canada

Mendez brieft das TeamRichtig problematisch wird Argo und seine fast universell positive Rezeption jedoch wenn man sich ein paar Hintergrundinformationen besorgt – der zugehörige (englische) Wikipedia-Artikel und die darin zitierten Quellen genügen dafür schon, und dessen Lektüre war für mich ironischerweise interessanter als der Film selbst. Weniger ironisch, sondern eher bedenklich, fand ich dass hierzulande die Medien (vor allem im Rahmen der ausschweifenden Oscar-Berichterstattung) sich kaum die Mühe machten den Kontext kritisch zu beleuchten.

"Der Film schreibt auf Kosten Kanadas die Geschichte neu, und macht Hollywood und den CIA zu heroischen Rettern, während [der damalige kanadische Botschafter] Taylor zu einem bemühten Hotelburschen degradiert wird" heißt es etwa in der kanadischen Zeitschrift Maclean's. Und sogar der ehemalige amerikanische Präsident Jimmy Carter gestand in einem Interview auf CNN zu: "90% der Beiträge zu den Ideen und der Umsetzung der Pläne waren kanadisch, und der Film schreibt dem CIA fast die gesamte Leistung zu. (…) Der wahre Held war meiner Meinung nach Ken Taylor (…) der das gesamte Vorgehen orchestrierte." Ben Affleck kommentierte das Ganze so: "Da wir sagen dass es auf einer wahren Geschichte BASIERT, und nicht dass es eine wahre Geschichte IST, dürfen wir uns einige künstlerische Freiheiten erlauben. Der Geist von Wahrheit ist vorhanden."

Der Geist von Wahrheit, aha. Argo ist also einer von vielen klassischen amerikanischen Schulterklopfern, nur noch eine Spur frecher, denn im Grunde genommen ist er eine doppelte Mogelpackung: so wie die amerikanischen DiplomatInnen als kanadische Filmcrew getarnt wurde, so wird der kanadische Erfolg als amerikanischer getarnt. Die Spitze des Ironie-Eisbergs findet sich dabei in einer der Schlußszenen des Films, als das CIA-Team jammert dass sie ihre Beteilgung offizell verschweigen und sämtlichen (medialen) Dank Kanada zukommen lassen müssen, um Racheakten an den noch verbleibenden Geiseln in der amerikanischen Botschaft vorzubeugen.

Ja genau, da war ja noch was. Während des ganzen Tam-Tams um die sechs eigentlich recht komfortabel untergebrachten DiplomatInnen waren fast zehn mal so viele Geiseln monatelang unter weit prekäreren Umständen in der amerikanischen Botschaft in Teheran gefangen. Am Ende kamen auch sie (nach Verhandlungen) frei, jedoch nicht ohne eines fehlgeschlagenen Rettungsversuches seitens des US-Militärs bei dem acht Soldaten starben.

Und somit ist Argo zwar handwerklich ein solider Film, jedoch mit bitterem Beigeschmack. Man kann sich dafür entscheiden dies zu ignorieren, wie es offensichtlich die meisten FilmkritikerInnen und das Publikum getan haben. Ob der Oscar gerechtfertigt ist bleibt für mich jedenfalls eine Streitfrage. Aber bezüglich eines können wir uns einig sein: die amerikanische Traumfabrik wird weiterhin Material produzieren das in dieses altbewährte Erfolgsschema passt. True story.

Trailer

Auf einen Blick

  • Jahr: 2012
  • Länge: 120 min
  • Regie: Ben Affleck
  • Drehbuch: Chris Terrio
  • Darsteller: Ben Affleck, Bryan Cranston, Alan Arkin, John Goodman
  • Webseite

Fazit

Meine Wertung:

 

Der dreiste kleine Kinomo

Filme gehören besprochen. Kinomo! Du fängst an!