Review< Zurück 03.07.2012

The Amazing Spider-Man: Hut ab, Hut auf, und hopp-hopp.

Von Max Werschitz

Stellt euch vor ihr erwacht nach 10 Jahren aus dem Koma. Verwundert setzt ihr euch auf, blickt in die Augen der um euer Krankenbett versammelten Liebsten, und fragt erst mal was ihr so alles verpasst habt. Eine große Wirtschaftskrise? Die gibt's eh in zyklischen Abständen. Ein Afro-Amerikaner als Präsident der Vereinigten Staaten? War auch höchste Zeit! Ein Reboot des Spiderman-Franchise? WTF!!!

For science. You monster.

Ja, es ist tatsächlich noch nicht einmal 10 Jahre her: Anfang Mai 2002 durfte sich Tobey Maguire zum ersten Mal im rotblauen Ganzkörperstrampelanzug durch die Lüfte schwingen. Und dann nochmal 2004. Und 2007. Das Produktionsbudget stieg kontinuierlich (von 140 auf 260 Millionen Dollar), die Einnahmen stagnierten (wenn auch auf hohem Niveau von ca. 800 Mio), aber eines nahm ab: die Qualität. Nicht dass das jemals für ein Filmstudio ein Grund gewesen wäre ein erfolgreiches Franchise zu beenden. Aber gottseidank für die Filmcrew. Während der Vorarbeiten an Teil 4 monierte Avi Arad, einer der drei Produzenten: "Das Problem [ist] dass wir keine Geschichte haben die stark genug ist um einen weiteren Film zu rechtfertigen."* Und selbst Regisseur Sam Raimi musste schließlich zugeben: "Wir haben einfach keinen guten Grund einen neuen Film zu machen."*

Hut ab vor so viel künstlerischer Integrität. Und dann Hut wieder auf für die marketingtechnisch gewagt erscheinende, aber fiskalisch betrachtet einzig logische Konsequenzziehung seitens Columbia Pictures: na dann einfach nochmal von vorne anfangen. Denn jedes Jahr rückt eine neue Generation von 13jährigen in die Reihen des Zielpublikums auf, und eines ist im Sinne der ZuseherInnen aller Altersklassen nicht zu vergessen: bei Spider-Man, wie bei vielen seiner fiktiven KollegInnen, ist ja primär die "origin story", also die emotional involvierende Transformation von zero to hero, das Interessante. Und hopp-hopp, los ging's: Gleiche Produzenten, aber neuer Regisseur (Marc Webb, 500 Days of Summer), neues Drehbuch (James Vanderbilt, mit Alvin Sargent und Steve Kloves), neuer Look, und zu guter (wirklich guter) letzt neue SchauspielerInnen.

Gwen Stacy und Peter Parker kommen sich näherDas Ergebnis kann sich nicht nur sehen lassen, es lässt die nur wenige Jahre zurückliegenden Vorgänger auch ganz schön alt aussehen. Dies liegt vordergründig an der zeitgeistigen Ästhetik (einer ebenso visuell wie narrativ dunkleren Tonalität), im Kern aber an dem neuen HauptdarstellerInnen-Duo. Andrew Garfield und Emma Stone stecken Tobey Maguire und die damals äußerst unglücklich besetzte Kirsten Dunst locker in die Tasche. Noch dazu gibt das Drehbuch ihren beiden Charakteren neue Seiten und mehr zu tun: Peter Parker ist auch in dieser Fassung hochbegabt, aber anstatt eines verhirnten Mobbing-Opfers ein pragmatischer Nerd in teils selbstzelebrierter Außenseiterrolle; Gwen Stacy anders als die langweilige Mary-Jane eine witzige und selbstbewusste junge Frau mit wissenschaftlichem Talent. Die beiden treffen sich auf emotionaler und intellektueller Augenhöhe, und dort funkt es von Anfang an – nix mehr mit "doofe Schönheit verliebt sich in kostümierten Superhelden". Die beiden Protagonisten sind zwar wie ihre filmischen Vorgänger Highschool-Schüler, legen dabei aber eine weitaus größere Reife an den Tag.

Und diese Reife zeichnet den gesamten Film aus. Die neu inszenierte Welt des altbekannten Helden ist rauer und roher, und wirkt trotz der natürlich eigentlich absurden Prämisse (hey schau mal, ein Spinnenmann verprügelt eine menschliche Eidechse!) realistisch. Der Film verstrickt sich nicht in cheesige Theatralik und pompöse Settings, sondern erzählt geradlinig und dabei immer wieder selbstironisch eine mäßig spannende (weil großteils schon bekannte), aber stets unterhaltsame Geschichte. Die Special Effects sind state-of-the-art (und lassen den ersten Spider-Man wie einen 90er-Jahre TV-Film aussehen), hervorragend inszenierte Actionsequenzen und durchaus pointierte Dialoge runden das Ganze ab.

Zugegeben, er ist nicht perfekt, aber die paar Patzer fallen nicht sonderlich ins Gewicht; zwei von ihnen trugen für mich durch ihre (unfreiwillige) Komik sogar zum insgesamten Unterhaltungs- und Sympathiefaktor bei. Erstens war es die Tatsache dass Peter Parkers Welt doch ein wenig auf Dorfgröße geschrumpft zu sein schien: seine große Liebe Gwen arbeitet nicht nur (noch dazu ohne dass er es wusste) ausgerechnet in der Firma für die einst auch sein Vater tätig war, sie ist auch noch die Tochter des Polizeichefs der Spiderman später das Leben schwer macht. Zweitens war es die Szene in der Spideys neue besten Freunde, die Kranführer New Yorks, ihre Arbeitsgeräte konzertiert neu ausrichteten um ihm lianen-, äh, fädenschwingend einen schnelleren Zugang zum Schauplatz des Showdowns zu ermöglichen. A propos fadenschwingend: die Entscheidung dass Peter wie im Comic-Original die Spinnennetzschleudern erst als Gadget extra basteln muss finde ich wiederum großartig. Denn mal ehrlich: ein Typ der meterlange Absonderungen aus Öffnungen in seinen Handgelenken schießt? Igitt.

Mein Fazit: zu behaupten dass The Amazing Spider-Man für Sam Raimis Teile 1 bis 3 das Gleiche ist was Batman Begins für Joel Schuhmachers Batman 3 und 4 war, das wäre natürlich eine Beleidigung für Christopher Nolans Genie – aber zu weit hergeholt ist der Vergleich nicht. Denn hat man den Film erst einmal gesehen, so macht der Reboot trotz aller vorangegangener Zweifel Sinn. Hut ab – und hopp-hopp auf zum nächsten Teil, der natürlich schon in Planung ist.

*Quelle: The Amazing Spider-Man auf Wikipedia

Trailer

Auf einen Blick

  • Jahr: 2012
  • Länge: 136 min
  • Regie: Marc Webb
  • Drehbuch: James Vanderbilt, Alvin Sargent, Steve Kloves
  • Darsteller: Andrew Garfield, Emma Stone, Rhys Ifans, Martin Sheen, Sally Field
  • Webseite

Fazit

Meine Wertung:

 

Der dreiste kleine Kinomo

Filme gehören besprochen. Kinomo! Du fängst an!