Review< Zurück 25.05.2011

Never Let Me Go

Von Max Werschitz

Junge Menschen als wandelnde Ersatzteillager auf der Suche nach einem Sinn in ihrem kurzen Leben – die hochgelobte Verfilmung des melancholiegetränkten dystopischen Romans von Kazuo Ishiguro hat es nur in wenige Kinos in Österreich geschafft. Zu Recht?

Stell' dir vor du bist 12 Jahre alt, und hast dein ganzes Leben in einem Heim verbracht, ohne Kontakt zur Außenwelt. Und eines Tages, der sanfte englische Landregen taucht die Welt vor dem Klassenzimmerfenster gerade in ein dumpfes Grüngrau, hörst du von einer mit Tränen kämpfenden Lehrerin folgendes: "None of you will do anything except live the life that has already been set out for you. You will become adults, but only briefly. Before you are old, before you are even middle-aged, you will start to donate your vital organs. That's what you were created to do. And sometime around your third or fourth donation, your short life will be complete. – You have to know who you are and what you are. It's the only way you'll lead decent lives." Am nächsten Tag ist die Lehrerin verschwunden, wegen "subversiven Verhaltens" aus dem Heim entfernt.

Never Let Me Go erzählt die Geschichte der kurzen "decent lives" von Kathy (Carey Mulligan), Tommy (Andrew Garfield) und Ruth (Keira Knightley), die in einem solchen Heim aufwachsen und auch danach in einer großteils abgekapselten Parallelgesellschaft auf die Erfüllung ihres Schicksals warten. Sie sind Klone, lebendes – wenn auch kurzlebiges – Ersatzmaterial für "Originale", und durch ihre Erziehung so konditioniert dass sie dies mit erstaunlicher Gelassenheit akzeptieren. Ja mehr sogar – Kathy, die auch als Erzählerin der Geschichte fungiert, ist stolz auf die Rolle die sie vollfüllen, auch wenn sie und ihre beiden besten FreundInnen sich immer wieder fragen wie es denn wohl wäre ein längeres, selbstbestimmtes Leben genießen zu dürfen.

Ein Durchbruch kommt selten allein

Tommy, Ruth und KathyDie dystopische Welt des Films, dessen Handlung sich über drei Kapitel zwischen 1978 und 1994 erstreckt, basiert auf der Annahme dass es bereits im Jahre 1952 einen Durchbruch in der medizinischen Forschung gab der es den Ärzten ermöglichte unheilbare Krankheiten endgültig zu besiegen und die durchschnittliche Lebensspanne eines Menschen auf über 100 Jahre zu verlängern. Mit diesem Durchbruch in der allgemeinen Medizin kam es dann wohl auch zu einem fragwürdigen Durchbruch in der allgemeinen Moral: die Klone werden schlichtweg als wandelndes Verpackungsmaterial für die benötigten frischen Organe gesehen, nicht als Menschen.

Was den Film, der auf einem 2005 erschienenen Roman des japanischstämmigen Briten Kazuo Ishiguro basiert, angreifbar aber auch eigenwillig und interessant macht ist dass er dieses Dilemma im Grunde genommen nicht anspricht. Statt einen kritischen Blick auf die äußeren Umstände zu werfen konzentriert er sich auf die Innenwelt der drei ProtagonistInnen, auf ihre Beziehung zueinander, auf das was sie aus ihrer begrenzten Lebenszeit – und vor allem jener die sie miteinander verbringen – machen. "I remind myself I was lucky to have had any time with him at all" meint Kathy in ihrer Rolle als Erzählerin schlussendlich über Tommy. Regisseur Mark Romanek, der auf ein feinfühliges Drehbuch von Alex Garland bauen konnte, meinte dazu dass Never Let Me Go das Publikum unter anderem daran erinnern soll "what is important: love, behaviour, and friendships".

Never Let Me Go ist sicher nicht für jedermann, und vor allem nicht für jede Stimmung. Es sind hauptsächlich die überzeugenden Leistungen der drei HauptdarstellerInnen (vor allem Carey Mulligan, die schon in An Education brillierte) die den Film durch die in sehr ruhigen, melancholischen Bildern erzählte, aber nicht gerade vor Höhepunkten strotzende Handlung tragen. Die ganze Inszenierung scheint darauf ausgelegt zu sein, und wirkt dabei stets durchdacht komponiert und immer stimmig – ganz so als würde man einen Kinoabend lang durch ein Fenster hinaus in den Regen starren und hin und wieder Leute unter bunten Schirmen hin- und herhuschen sehen.

Trailer

Auf einen Blick

  • Jahr: 2010
  • Länge: 103 min
  • Regie: Mark Romanek
  • Drehbuch: Alex Garland (Roman: Kazuo Ishiguro)
  • Darsteller: Carey Mulligan, Andrew Garfield, Keira Knightley
  • Webseite

Fazit

Meine Wertung:

 

Der dreiste kleine Kinomo

Filme gehören besprochen. Kinomo! Du fängst an!