Review< Zurück 23.02.2011

The King's Speech: Albert stottert, aber Oscar liebt ihn

Von Max Werschitz

Eine wahre Geschichte über einen stotternden König der mit seiner Tapferkeit der anderen Art die Herzen seiner Untertanen, des Kinopublikums und nicht zuletzt der Oscar-Nominierer erobert. Das britische Empire ist zurück, und sei es nur für 118 wohlige Minuten.

1925. Prinz Albert (Colin Firth) bewegt sich als nur Zweithochwohlgeborener zwar großteils unter dem Radar von britischer Presse und Volk, aber das befreit ihn trotzdem nicht von dem einen oder anderen öffentlichen Auftritt. Und Albert macht den jüngsten dieserwelcher, eine weltweit übertragene Rede im Wembley Stadium, prompt zum Fehltritt – denn er stottert. Nicht nur der Vater, King George V (Michael Gambon) ist not amused, die versammelten Untertanen sind schlichtweg verunsichert. Albert begibt sich daraufhin in die mehr oder weniger kompetenten Hände diverser Ärzte, gibt jedoch bald frustriert auf – bis seine Frau (Helena Bonham Carter) den unkonventionellen Sprachtherapeuten Lionel Logue (Geoffrey Rush) entdeckt. Einige Stolpersteine und Jahre später begibt sich Albert schließlich endgültig in die tägliche Obhut des shakespearebesessenen ehemaligen Schauspielers und macht nicht nur Fortschritte, sondern entwickelt eine teils ganz und gar unkönigliche freundschaftliche Beziehung (Spoiler: aus "Albert" wird "Bertie", und dieser Bertie sagt völlig stotterfrei so wunderbare Wortaneinanderreihungen wie "Shit, ass, fuck, bugger… tits!"). Und es wurde auch höchste Zeit: Alberts älterer Bruder (Guy Pearce), der eigentliche Thronfolger, macht lieber mit zweifach geschiedenen Amerikanerinnen rum als sich um königliche Etikette zu kümmern, "Herr Hitler" bringt das internationale Politikparkett ins Rutschen, und Albert droht bald mehr öffentliche Aufmerksamkeit als ihm und seinem Stottern lieb ist…

Albert und die Oscars

Versteht mich nicht falsch, The King's Speech ist ein wirklich guter Film. Ein einfühlsam (und dabei sogar großteils historisch akkurat) geschriebener, stellenweise hochkomischer, bedächtig in Szene gesetzter, visuell äußerst stimmiger, und last but not least hervorragend gespielter Film für die ganze Familie. Aber ihm deswegen gleich 12 Oscarnominierungen nachschmeißen? Mir scheint fast die Academy (und ein Großteil der Presse) war von der Bombastik von Inception, der Subversität von Black Swan, oder dem Metzgercrashkurs von 127 Hours so verstört dass sie sich nun auf The King's Speech stürzt wie der übersättigte Haubenlokalkritiker auf ein einwandfrei aufgewärmtes Gulasch. Bester Schauspieler (Firth): ja, beste Cinematography: von mir aus, beste Kostüme: eh klar. Aber da hört's meiner Meinung nach auch schon auf. 7 BAFTAs und noch einige weitere Preise hat er eh schon in der Tasche – man bekommt fast das Gefühl das britische Empire, das es zur Zeit die der Film portraitiert noch gab, macht sich hinter den Kulissen an eine kulturelle Konterrevolution.

A propos "Shit, ass, fuck, bugger… tits!" und "für die ganze Familie": viel spannender als den Oscar-Gangbang finde ich was Regisseur Tom Hooper in Bezug auf die Altersfreigaben alles durchmachen musste. Ursprünglich wurde The King's Speech in Großbritannien auf 15 eingestuft, eben wegen dieser und ähnlicher Schimpfworttiraden. Hooper protestierte, mit dem Hinweis dass Filme wie Salt (2010) und Casino Royale (2006) trotz ihrer Folterszenen mit 12A davonkamen. Er konnte sich durchsetzen. In den Vereinigten Staaten (ich sage nur "Nipplegate") war man natürlich noch restriktiver: das verhängte Rating "R" hindert seit dem Start des Films alle unter 17 daran ihn (ohne Begleitung eines Erwachsenen) im Kino zu sehen. Hooper weigerte sich den Film umzuschneiden – well done, Sir.

Was The King's Speech neben den herausragenden schauspielerischen Leistungen und der handwerklich soliden Inszenierung so großartig macht ist, so vermute ich, schlicht und einfach dass es eine herzerwärmende Geschichte ist die auf wahren Tatsachen beruht – so etwas sieht man halt gerne. Noch dazu wenn sie in höchsten Adelskreisen spielt, welche durch den Charakter von Colin Firth als nahbar, vertrauenswürdig und sympathisch rüberkommen – was man von unserer jetzigen politischen Elite ja nicht gerade behaupten kann.

Trailer

Auf einen Blick

  • Jahr: 2010
  • Länge: 118 min
  • Regie: Tom Hooper
  • Drehbuch: David Seidler
  • Darsteller: Colin Firth, Geoffrey Rush, Helena Bonham Carter, Guy Pearce, Timothy Spall, Derek Jacobi, Jennifer Ehle, Michael Gambon
  • Webseite

Fazit

Meine Wertung:

 

Der dreiste kleine Kinomo

Filme gehören besprochen. Kinomo! Du fängst an!