Die dreiste Glosse< Zurück 29.10.2010

Die verrückte Welt der Ute Bock, oder: Österreich fängt am Kopf zum Stinken an

Von Max Werschitz

Ein Bericht von der Premiere des neuen "Doku-Dramas" von Houchang Allahyari im KIZ Royal Kino in Graz. Es bleibt nur eine offene Frage: Wenn Ute Bock die Mutter Theresa von Wien ist, was ist dann wohl Maria Fekter?

Es ist kurz nach 19 Uhr im KIZ Royal Kino am 28. Oktober 2010. Weniger als drei Tage bis Halloween, und dennoch ist das was in wenigen Minuten auf der Leinwand zu sehen sein wird in mancher Hinsicht grausliger als der ärgste Horrorfilm. Ute Bock steigt nach der kurzen Begrüßungsrunde etwas schwerfällig die Stiege von der Bühne hinab, blickt unten angekommen scheinbar vorwurfsvoll auf ihre Füße, hebt schließlich den Kopf Richtung Publikum und sagt mit dem Finger an ihrer Schläfe: "Manche fangen im Kopf zum Faulen an, ich in den Beinen". Es folgt ein Lächeln das sich irgendwo zwischen mutterhaft und jugendlich-verschmitzt einreiht, und schon ist sie am Weg zu ihrem Sitzplatz. Die Premiere von Die verrückte Welt der Ute Bock kann beginnen.

Ziemlich genau ein Jahr ist es her dass die unermüdliche Obdachlosen- und Flüchtlingshelferin Ute Bock (www.fraubock.at) zum ersten Mal im Kino war – auf der Leinwand, nicht im Publikum. Houchang Allahyari zeichnete damals mit dem Dokumentarfilm Bock for President ein ebenso beklemmendes wie einfühlsames Portrait jener Frau die manche als die Mutter Theresa von Wien bezeichnen ("Aber die Mutter Theresa hat vom lieben Gott oben immer das Geld aufs Konto gekriegt wenn sie's gebraucht hat, ich nicht" meint sie schmunzelnd dazu). Nun ist es also wieder so weit. Mit Die verrückte Welt der Ute Bock wagt sich Allahyari jedoch an eine experimentelle Form des Films heran, ein sogenanntes Doku-Drama das "echte" mit gespielten Szenen mischt. Für letztere stellten sich unter anderem Josef Hader, Andreas Vitasek, Roland Düringer, Viktor Gernot, Karl Markovics, Julia Stemberger, Dolores Schmidinger und Paulus Manker kostenlos und mit sichtlicher Hingabe zur Verfügung. Besonders pikant dabei ist Haders Rolle als Polizist der am Land mehr oder weniger heimlich mit einer "illegalen" Afrikanerin zusammenlebt, in Wien jedoch – streng nach Dienstplan – selbst an Abschiebungen mitwirken muss. Ähnlich geht es dem von Markovics gespielten Kripo-Beamten: "Dafür bin ich nicht zur Polizei gegangen", stöhnt er verzweifelt.

Josef Hader als zwiespältiger PolizistAll diese "gespielten" Szenen basieren auf wahren Begebenheiten aus Ute Bocks Leben, und zeigen, wenn auch manchmal (oft humorvoll) überspitzt, die kleinen und großen Grausligkeiten des Staates Österreichs in Punkto "Ausländer". Es ist diese Erdung in tatsächlichen Erlebnissen von Bock und ihren nicht minder unermüdlichen MitarbeiterInnen die den Film davor bewahrt ein dumpf mit dem Moralzaunpfahl wachelnder Propagandastreifen zu sein. Und es ist diese deutliche Verbindung zum echten Leben, zum echten Österreich, die jeder und jedem im Kinopublikum trotz der teils großartigen komödiantischen Leistungen der SchauspielerInnen einen Schauer über den Rücken jagen. Denn Ute Bock hat recht: Manche fangen im Kopf zum Faulen an. Und der Fisch fängt bekanntermaßen am Kopf zum Stinken an. Vor allem der Fisch Österreich. Nach Bock for President wirft nun Die verrückte Welt der Ute Bock erneut ein unangenehmes aber notwendiges Licht auf die absolut grauslige Art und Weise wie die hiesige Politik mit dem "Ausländerthema" umgeht, und welche unmenschlichen Gesetze dann in der Folterkammer von Maria Fekter und co entstehen.

In der Podiumsdiskussion nach der Filmvorführung meinte Bock unter anderem dass sie seit letztem Jahr bei unzähligen Terminen unterwegs war, und dabei besonderes Augenmerk darauf gelegt hatte vor Schulklassen und generell mit Jugendlichen zu sprechen. "Es (dieser Umgang mit AusländerInnen) ist ein Problem meiner Generation. Die Jungen sind da viel aufgeschlossener und gescheiter." Ich muss sagen: ich kann es kaum erwarten dass diese neue Generation endlich erwachsen wird und die Stinker Strache, Schotter-Mizzi und Konsorten vom Fischgrätenparkett des Parlaments stößt.

Trailer

Auf einen Blick

  • Jahr: 2010
  • Länge: 103 min
  • Regie: Houchang Allahyari
  • Drehbuch: Houchang Allahyari, Tom-Dariusch Allahyari
  • Darsteller: Josef Hader, Karl Markovics, Viktor Gernot, Andreas Vitasek, Julia Stemberger, Dolores Schmidinger, Peter Kern, Paulus Manker, Alexander Pschill, Stefano Bernardin, Claudia Androsch, Ronald Rudoll, Petra u. Arian Allahyari, Edik Avetisyan, Kian Dörrie

Fazit

Meine Wertung:

 

Der dreiste kleine Kinomo

Filme gehören besprochen. Kinomo! Du fängst an!